Warum gibt es in Schweden so viele Schießereien und Bombenanschläge?  

Ein Beitrag von Ann-Marie Hedberg Kikuchi

Schweden kämpft seit Jahren mit Bandenkriminalität, doch der jüngste Anstieg war außergewöhnlich. Schießereien und tödliche Bombenanschläge wiederholten sich täglich. Der Polizeichef Anders Thornberg sagte kürzlich: „Es ist die größte Gewaltwelle, die wir jemals im Land erlebt haben.“  

Diese Gewalt ist Terror. Es ist nicht normal, solche Explosionen in einem Land ohne Krieg zu erleben.  

Schweden ist das einzige Land in Europa, in dem tödliche Schießereien deutlich zugenommen haben. Es gehörte zu den Ländern mit einer der niedrigsten Waffengewaltraten in Europa. Aber jetzt sehen wir einen der höchsten Werte in nur zwei Jahrzehnten.  

Premierminister Ulf Kristersson, der nach einer von Debatten über Bandenkriminalität geprägten Wahl an die Macht kam, sagt: „So etwas hat Schweden noch nie erlebt. Kein Land in Europa hat so etwas erlebt.“  

Viele haben Angst nach dieser Mord- und Explosionsserie. In Eskilstuna wurden im August 2022 eine Mutter und ein Kind angeschossen und verletzt. Sie gerieten ins Kreuzfeuer zweier Banden, die aufeinander schossen. Nach dem Angriff sagte der Vater des Kindes gegenüber der Zeitung Dagens Nyheter: „Wie können wir an einem Ort leben, an dem Kinder Gefahr laufen, auf einem Spielplatz erschossen zu werden? Es gibt keine Sicherheit mehr“ – ein Gefühl, das bei vielen von uns Schweden nachhallt.  

Was ist mit unserem friedlichen Land passiert? Was ist die Ursache für Schwedens Problem mit der Bandenkriminalität?  

Das zugrunde liegende Problem muss aufgedeckt werden: Leute konsumieren Drogen. Die kriminellen Banden streiten sich um Kunden. Wenn niemand Drogen konsumieren und kaufen würde, würden Banden und Drogendealer ihr Einkommen verlieren. Aber überall auf der Welt konsumieren Menschen Drogen. Warum kommt es in Schweden zu all dieser Gewalt? Es gibt nicht nur eine Antwort, sondern mehrere. Es ist eine komplexe Situation. Aber hier werde ich einige der Gründe nennen.  

Die Armut hat zugenommen.  

Die schwedische Zeitung Dagens Nyheter veröffentlichte eine Analyse aller seit 2017 wegen Waffendelikten verhafteten oder strafrechtlich verfolgten Personen. Etwa fünfundachtzig Prozent waren im Ausland geboren oder hatten mindestens einen Elternteil, der im Ausland geboren wurde. Etwa einundsiebzig Prozent gehörten zur niedrigsten Einkommensgruppe des Landes.  

Früher war Schweden ein wirtschaftlich gleichberechtigtes Land ohne große Ausschläge nach unten oder oben, doch heute gibt es große Einkommensunterschiede. Mehr junge Menschen haben Eltern, die außerhalb der EU geboren wurden und noch nicht so in der Gesellschaft etabliert sind wie Schweden es sind. Und dann sehen diese jungen Leute, meist Jungen, wie Drogendealer an Geld, teure Autos und Schmuck kommen. Diese Gangster haben es geschafft, sie sind nicht mehr arm und werden zu Vorbildern. Vieles von dem, was passiert, geschieht für Geld und einem Leben mit Status.  

Die fehlende Integration der Einwanderer führte zur Entstehung von Parallelgesellschaften.  

Diese Gewalt wurde teilweise mit der unzureichenden Integration der Migrantenbevölkerung in Schweden in Verbindung gebracht. Schätzungen zufolge wurden zwanzig Prozent der 10,5 Millionen Einwohner Schwedens im Ausland geboren. Es gibt europäische Migranten, aber auch aus Ländern wie Syrien, Somalia, Irak und Afghanistan. Die frühere Premierministerin Magdalena Andersson erklärte, dass „die Integration schleppend voranging, während wir gleichzeitig eine große Einwanderung hatten“, was zu „Parallelgesellschaften in Schweden“ mit „völlig unterschiedlichen Realitäten“ führte. Diese sogenannten „Parallelgesellschaften“ haben Lücken geschaffen, in denen kriminelle Banden florieren und in der Folge auch die Waffenkriminalität.  

Ein Grund für die schlechte Integration ist auch das „EBO-Gesetz“. Diese Regelung besagt, dass Einwanderer und Asylbewerber das Recht haben, dort zu leben, wo sie wollen. Das hört sich sehr gut an – Wahlfreiheit für diejenigen, die kommen. Aber das Ergebnis ist, dass sie mit Landsleuten zusammenleben wollen und sich unter schlechten Lebensbedingungen zusammendrängen. Dies ermöglicht auch die Ausbeutung von Menschen mit illegalen Mietverträgen und hohen Mieten. Schweden hat also eine schlechte Integration sowohl in die schwedische Gesellschaft als auch in die der Einwanderer untereinander.  

All diese Dinge sind in Schweden heikle Themen, über die man sprechen muss. Niemand möchte als Rassist gesehen werden.  

Eine fremde gewalttätige Kultur  

In diesen Parallelgesellschaften haben sich fremde Normen ausgebreitet. Die Kultur krimineller Banden ist durch mangelnden Respekt gegenüber Gesetzen und Vorschriften sowie durch Missachtung öffentlicher Angelegenheiten gekennzeichnet. Sie sind leicht beleidigt, konfliktsüchtig und haben ein Verlangen nach Rache. Es steht im Gegensatz zu den traditionellen Werten in Schweden, die sich durch Gesetzestreue, Toleranz, Konsens, Rationalität und Freundlichkeit auszeichnet. Auch die Normen der Kriminellen haben sich im Laufe der Zeit verändert.  

„Wenn eine Bande anfängt, Kalaschnikows zu benutzen, können andere keine Messer mehr verwenden,“ sagt der Kriminologe Manne Gerell.  

Was diese Art von Kriminalität auszeichnet, sind Brutalität und Rücksichtslosigkeit. Gewalt ist die wahre harte Währung, die in diesen Umgebungen Macht verleiht.  

Gangsta-Rap verherrlicht Kriminalität  

Im schwedischen Fernsehen sprach ein Sprecher der schwedischen Polizei über eine bestimmte Art von Hip-Hop-Musik namens „Gangsta Rap“. Diese Art von Musik verherrlicht das kriminelle Leben und manche unterstützen offen die kriminellen Banden. Menschen, vor allem noch minderjährige Jungen, interessieren sich für Straßenkriminalität und fühlen sich von ihr angezogen und fasziniert. Es zieht nicht nur Einwandererkinder in den Bann, sondern auch Kinder aus Mittelschichtsfamilien.  

Einer der Anführer, der früher von der Türkei aus operierte, machte sich als Geschäftsmann und Drogendealer einen Namen. Auch Rap-Künstler, die ihn unterstützten, halfen ihm, seinen Ruf aufzubauen. Dies hat eine starke Loyalität bei minderjährigen Jungen in Schweden bewirkt, welche sogar bereit sind, große Risiken einzugehen und in seinem Namen verrückte Gewalttaten zu begehen.  

Wenn z.B. ein Mord begangen werden soll, gibt es im ganzen Land junge Leute, die dabei helfen, Autos zu präparieren, Sprengstoff für Bombenanschläge zu besorgen oder andere Kinder zu rekrutieren.  

Gruppen ohne klare Anführer  

Eine weitere Erklärung für die extreme Gewalt ist, dass die kriminellen Banden in armen Gegenden aus losen Gruppen ohne klare Anführer bestehen.  

Um die Ordnung in der Organisation aufrechtzuerhalten, bedarf es starker Führungskräfte. Wenn die Anführer verschwinden, entsteht zunächst ein Vakuum und dann Chaos. So geschah es vor ein paar Jahren, als etwa vierhundert Anführer von Banden durch „Enchrochat“* verurteilt wurden. Viele jüngere Menschen sahen die Chance, verschiedene Bereiche des Drogenverkaufs selbst in die Hand zu nehmen. Das resultierende Chaos führte zu wilden Schießereien und Bombenanschläge nahmen dramatisch zu.  

Illegaler Waffenschmuggel nach Schweden  

Obwohl Schweden über einige der strengsten Waffenkontrollgesetze der Welt verfügt, wurden illegale Schusswaffen aus anderen Ländern eingeschmuggelt. Dies erleichterte den Zugang zu Waffen. Es handelt sich zum Teil um eine verzögerte Folge des langfristigen Waffenschmuggels in kleinem Umfang aus dem Balkan nach dem dortigen Krieg. Einige Waffen wurden nach dem Fall des kommunistischen Ostblocks auch aus Osteuropa gekauft.  

Die Polizei hat einen harten Job  

Im internationalen Vergleich gibt es in Schweden nur wenige Polizisten. Sie kämpfen auch gegen eine Kultur des Schweigens in Gebieten mit Einwanderern. Das Problem besteht darin, dass Opfer sich nicht trauen, Anzeige zu erstatten und Zeugen durch Einschüchterung zum Schweigen gebracht werden. Morde in einem Bandenumfeld sind oft sehr schwer aufzuklären und erfordern sehr große Ressourcen. Im Vergleich zu anderen Morden möchte niemand aussagen oder der Polizei berichten, was er weiß. Nach einem Mord folgt oft ein Rachemord, der später ebenfalls gerächt werden soll. Die Polizei verfügt nicht über die Ressourcen, um alle Morde aufzuklären.  

Ein weiteres Problem für die Polizei besteht darin, dass sich die Haupttäter nicht in Schweden befinden. Sie führen ihr Verbrechernetzwerk in der Sicherheit anderer Länder und können von der schwedischen Polizei nicht habhaft gemacht werden.  

Laxe Strafgesetze  

Die Waffengewalt und die Bombenanschläge sind zum Teil auch auf Schwedens eher milde Strafgesetze zurückzuführen. Bei Schießereien und Bombenanschlägen werden oft Kinder eingesetzt. Je jünger, desto besser, sagen die Banden. Jugendliche erhalten für Morde eine Höchststrafe von nur vier Jahren. Das bedeutet, dass sie ideale Rekruten für Banden sind und entsprechend aktiv gesucht werden. So werden bereits 13- bis 14-jährige zu Mördern.  

Wie kann Schweden seiner tödlichen Welle der Bandenkriminalität ein Ende setzen?  

Das ist eine gute Frage. Wie kann man den Drogenkonsum stoppen? Wie kann die Einfuhr schwerer Schusswaffen gestoppt werden? Wie gelingt die Integration von Einwanderern in Schweden?  

Viele kurzfristige Lösungen wurden diskutiert: mehr Bandenmitglieder hinter Gitter zu bringen, längere Haftstrafen, mehr Polizei. Es wurde sogar darüber gesprochen, Hilfe vom Militär in Anspruch zu nehmen, was in Schweden sehr ungewöhnlich ist.  

Aber die Situation mit den Banden zu lösen, wird Jahrzehnte dauern. Die Rekrutierung von Jungen für kriminelle Banden muss gestoppt werden. Kriminologen argumentieren, dass der beste Weg, dies zu erreichen, darin besteht, stark in Schulen in gefährdeten Gebieten zu investieren. Schulen sind für die Prävention von Jugendkriminalität von entscheidender Bedeutung. Junge Teenager, die in ihrer Ausbildung erfolgreich sind, engagieren sich nicht in kriminellen Banden.  

Vor allem brauchen wir eine ehrliche und offene Diskussion über Bandenkriminalität. Viele der Bandenmitglieder stammen aus Einwandererfamilien. Das ist ein sehr heikles Thema. Es war ein öffentliches Tabu, darüber zu diskutieren, wer hinter der Kriminalitätsepidemie steckt. Schweden besteht nicht mehr nur aus Schweden. Wir müssen Wege für die Integration verschiedener ethnischer Gruppen finden. Und dann müssen wir eine offene öffentliche Diskussion über schwierige Fragen führen, um neue Lösungen zu finden. Schweden muss viel nachdenken und dann handeln. 

* Enchrochat“, erfolgreiches Mithören der Verabredung zum Mord durch die Polizei. Anmerkung der Redaktion 

Hans Christian Andersen, ein großer europäischer Märchenerzähler und das Jante Gesetz

*Der Ausdruck Janteloven bzw. Jantelagen ist in allen skandinavischen Ländern gebräuchlich und allgegenwärtig (Besuchern wird dies durch eine weit verbreitete und ausgeprägte Gleichbehandlung aller Menschen vor Augen geführt). Das Jantegesetz beschreibt die kulturellen und politischen Umgangsformen, nach denen es verpönt ist, sich selbst zu erhöhen oder sich als besser und klüger darzustellen als andere.

Eine Jante ist im Dänischen ein kleines Geldstück, vergleichbar mit dem Begriff Groschen im Deutschen. Das Jantegesetz ist also sozusagen das „Gesetz der recht und billig Denkenden“.

Obwohl das Gesetz den Zehn Geboten nachempfunden ist und aus zehn Regeln besteht, ist  es nicht wirklich daraus abgeleitet sondern wird als eigenständige Einheit gesehen:

•          Du sollst nicht glauben, dass du etwas bist.

•          Du sollst nicht glauben, dass du genauso viel bist wie wir.

•          Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.

•          Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir.

•          Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.

•          Du sollst nicht glauben, dass du mehr bist als wir.

•          Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst.

•          Du sollst nicht über uns lachen.

•          Du sollst nicht glauben, dass sich irgendjemand um dich kümmert.

•          Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.

Andersen wurde von dem Gefühl geplagt, dass die bürgerliche Gesellschaft in Kopenhagen ihn wegen seiner ärmlichen Herkunft und ohne einen guten Familiennamen nicht vollständig akzeptierte. Seine Stücke wurden von der Theaterleitung aus „Mangel an Stil“ abgelehnt und während seines ganzen Lebens erhielt er harsche Kritik für seine Schriften. Er schreibe zu viel mit seinem Herzen auf der Zunge. Er galt als zu sentimental und wurde oft als ein guter Improvisator anerkannt, dem aber die Tiefe in seinen Werken fehle, vom Volk werde er zu Unrecht honoriert. In Wahrheit war er seiner Zeit voraus und  bezog seine Quellen der Inspiration von Autoren in ganz Europa, während die dänische Theaterszene in einer Form des romantischen Neoklassizismus stecken blieb. Im Ausland wurde er gefeiert und das weckte in ihm die Vorstellung vom kalten Norden, der ihn kritisierte und dagegen dem warmen Süden (Deutschland und darüber hinaus), wo er gefeiert wurde.

Aus deutscher Sicht zählt Andersen zu den ganz wunderbaren Märchenerzählern, vielleicht war er sogar der Größte überhaupt. Wer kennt nicht die Geschichte vom hässlichen Entlein. Wir werfen ein kurzes Streiflicht auf den Schriftsteller. Im Museum von Odense kann man während eines Besuchs weitere, tiefer gehende Erkenntnisse über Andersen gewinnen.

Als armes Kind im kleinen, aber selbstzufriedenen provinziellen Zentrum von Odense geboren, machte Andersen während der ersten vierzehn Jahre seines Lebens Erfahrungen, die sich prägend auf sein literarisches Schaffen auswirkten. In seiner Autobiographie über seine Jugendzeit „Levnedsbogen“ hob Andersen hervor, dass alte Sitten und Aberglaube, in denen sich die Odenser Lebensart spiegelte, seine Phantasie zu farbenfrohen Geschichten stimulieren vermochte. So etwas war in Kopenhagen unbekannt. Noch entscheidender waren jedoch seine beunruhigenden sozialen Erfahrungen, auf der niedrigsten Stufe der Gesellschaft aufzuwachsen. Es drängte ihn, mit seinem sozialen Erbe, der Armut zu brechen um sein Potential durch die Kunst zu entfalten, was ihm als der einzige Ausweg aus dem Dilemma zu sein schien und seine Kindheit zunehmend bestimmte.

Dänemark und Europa

Andersens Reisen von Odense nach Kopenhagen setzten sich später fort als ein lebenslanges Pendeln zwischen Dänemark und dem Rest von Europa, wobei Deutschland im Besonderen zu seiner zweiten Heimat wurde. Gleichzeitig pflasterten diese Reisen den Weg zu seinem internationalen literarischen Ruhm. Andersen fühlte sich auch andernorts in Europa zuhause. Italien beeindruckte ihn durch die Natur, die Lebensart und die Kunst. Andersens Verhältnis zu Dänemark war ambivalent. Einerseits war es ein Land, ohne das er nicht auskommen konnte, aber welches er manchmal für seine Kleinlichkeit zutiefst verabscheute. Er war das erste große Opfer dessen, was später unter dem Begriff Jantelov*, bekannt wurde und dem auch Søren Kierkegaard in den späteren Phasen seiner Werke zum Opfer fiel. Aber im Gegensatz zu Kierkegaard, welcher nie weiter als bis nach Berlin reiste, wurde Andersen zum meist gereisten dänischen Schriftsteller seiner Tage. Insgesamt ging er auf neunundzwanzig Auslandsreisen und verbrachte über neun Jahre seines Lebens außerhalb Dänemarks.

Ruhm

Andersens literarischer Ruhm wuchs rasch ab der Mitte der 1830er Jahre, als seine Romane in Deutschland auflagenstark verbreitet wurden. Ab 1839 waren es die Märchen, die ihm einen ziemlich außergewöhnlichen Namen in diesem Land verhalfen. Ab Mitte der 1840er Jahre erfolgte der Durchbruch in England und Amerika, sowohl durch seine Märchen als auch durch seine Romane.

“ ich singe nicht – mein Herz schlägt zu heftig „!

Andersen war zu der Zeit, als er die Geschichte „die Nachtigall“ schrieb, verliebt. Der kleine Singvogel haucht Leben in den Sterbenden ein, genauso wie die schwedische Sopranistin Jenny Lind seine Gefühlswelt erhellte. Einen Monat bevor er diese Geschichte schrieb, hatte sich Andersen Hals über Kopf in die „schwedische Nachtigall“, wie sie genannt wurde, verliebt. Andersen wurde Jenny Lind im September 1843 im Haus von August Bournonville, dem Ballettmeister, vorgestellt. Damals wurde ein Versuch unternommen, sie dazu zu überreden, eine Gastvorstellung am königlichen Theater in Kopenhagen zu geben. Bei dieser Vorstellung gelang Jenny Lind der Durchbruch zu internationaler Anerkennung.

Wir können Andersens Gefühle nachverfolgen, weil er sie in einem kleinen Notizbuch niedergeschrieben hatte. Wir lesen, wie sich die Emotionen des Dichters steigerten: “Verliebt“, „Eifersucht“, „Heiratsantrag“, „Ich liebe sie“ und:  „Übergab ihr einen Brief, den sie verstehen muss. Ich bin verliebt „.

Die letzte Bemerkung kann nicht anders interpretiert werden, als dass Andersen der schwedischen Sängerin einen schriftlichen Heiratsantrag machte. Leider existiert der Brief heute nicht mehr, aber es gibt eine Sammlung von Gedichten*, welche er ihr kurz zuvor überreicht hatte und ihr dabei zärtlich seine Liebe erklärte.

Es gibt keine Anzeichen, dass Jenny Lind den Brief, den Andersen ihr bei ihrer Abreise gab, beantwortet hat. Zwei Jahre später, im Oktober 1845, als sowohl Andersen als auch Jenny Lind den Zenit ihres Ruhms erreicht hatten, gelang es ihr während eines Festessens im Hotel Royal, den Antrag Andersens elegant abzuweisen. Bei diesem Anlass übergab sie August Bournonville eine kleine Silbertasse mit der Inschrift: „Für Ballettmeister Bournonville, der wie ein Vater für mich in Dänemark gewesen ist, meinem anderen Heimatland.“

Herr Bournonville dankte Jenny Lind und sagte zu ihr, dass nun alle Dänen wie seine Kinder wären und damit zu ihren Geschwistern würden.“

Jenny Lind antwortete amüsiert: „Das wären zu viele für mich, ich würde viel lieber nur einen als meinen Bruder wählen.“

Ein Glas Champagner in ihrer Hand haltend, ging sie zu Andersen und prostete ihm zu: „Auf die Gesundheit mein Bruder“. Andersen bewahrte das Champagnerglas als eine bittersüße Erinnerung, ausgestellt in seinem Wohnzimmer, bis zu seinem Tode auf.

Aus Freude am Musizieren zum Retter in der Not

Lesen Sie hier über den folgenreichen Besuch einer Ärztin die ursprünglich auf die Färöer-Inseln kam, um Geige zu spielen.

Der Carnitin-Transporter-Mangel (CTD) ist eine seltene Erbkrankheit, die, wenn nicht erkannt, zum vorzeitigen Tod führen kann. Es handelt sich hier um eine Stoffwechselstörung die vermehrt auf den Färöer-Inseln auftritt, aber lange Zeit unentdeckt blieb. Zu den Menschen, die entscheidend zur Überwindung dieser Geisel beitrugen, zählt Frau Dr. Ulrike Steuerwald aus Hannover.

Ihr waren die Färöer-Inseln bereits bekannt als sie im Rahmen eines zehnjährigen Jubiläums des Sinfonieorchesters, bei dem sie Geige spielte, 1993 die Einladung erhielt an einer Aufführung in Tórshavn teilzunehmen. Dort erfuhr sie von der einzigen leider unbesetzten Stelle des Kinderarztes und wurde prompt von Pál Weihe, dem damaligen Leiter des Krankenhauses, ersucht, hier eine Lücke zu schließen. Die Not war so groß, dass Kinder mit besonders schweren Erkrankungen nach Kopenhagen zur Behandlung ausgeflogen werden mussten. Zu dieser Zeit hatte Frau Dr. Steuerwald ein Stellenangebot in Washington DC (USA), änderte aber ihre Pläne, sehr zur freudigen Erleichterung von Páll. So kam es, dass Frau Dr. Steuerwald anstatt nach Amerika für ursprünglich vorgesehene vierzehn Monate auf die Färöer-Inseln zog. Nach dieser Zeit war man von ihren Fachkenntnissen so sehr angetan, so dass sie blieb und insgesamt fünf Jahre auf den Färöern praktizierte. Kinderärzte in Dänemark wurden damals besser in Allgemeinmedizin, also mit breiterem Wissen unterrichtet, dafür weniger in der spezialisierten Behandlung und Versorgung von Neu- und Frühgeborenen. Kurzum, die Ärztin blieb bis 1998 auf den Inseln und kommt seitdem regelmäßig, um Stoffwechselpatienten zu betreuen und um im Rahmen von groß angelegten, international geförderten Studien die Auswirkungen von Umweltgiften zu untersuchen. 

In ihrem Studium lernte sie, wenn Erkrankungen bei Kindern atypisch verlaufen, die Möglichkeit von Stoffwechselerkrankungen im Blick zu haben, insbesondere in kleinen, abgegrenzt lebenden Bevölkerungen.

„So kam es, dass ich bei scheinbar normalen Infekten weitergeschaut habe“, berichtet Frau Dr. Steuerwald. Genetik war zu dieser Zeit nicht sehr populär bei den Färingern. Erst als es möglich wurde, eine andere für die Inseln typische Erkrankung anstatt durch eine Leberpunktion durch eine einfache Blutuntersuchung zum Nachweis einer bestimmten genetischen Auffälligkeit zu diagnostizieren, änderte sich diese Sichtweise.

Erstmals wurde Dr. Steuerwald 1995 auf die eingangs erwähnte Stoffwechselerkrankung aufmerksam. Bei einem jungen Patienten konnte durch Blutanalyse festgestellt werden, dass es sich um den Carnitin-Transporter-Mangel handelte. In der Folge wurden weitere Kinder mit dieser Krankheit gefunden.

„Meist muss man nicht weiter als sechs Generationen zurück gehen, um einen gemeinsamen Vorfahren unter scheinbar Fremden auf den Inseln auszumachen“, erklärt die Ärztin. Damit ist die Gefahr des Auftretens von Erbkrankheiten deutlich höher als in bevölkerungsreichen Gemeinschaften.

Es vergingen aber noch Jahre, bis eine Methode zur systematischen Erkennung der Krankheit entwickelt und eingesetzt werden konnte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland (1998) widmete sich Frau Dr. Steuerwald einem Zusatzstudium mit Schwerpunkt Prävention im Gesundheitswesen. Im Rahmen dieser Ausbildung absolvierte sie ein Praktikum in einem Speziallabor in Hannover, in dem sie in die neue Untersuchungsmethode eingeführt wurde, mit der auch ein Carnitinmangel im Blut von Neugeborenen nachgewiesen werden kann. Diese Untersuchungstechnik wird seit 2002 auch in Dänemark angewendet – dort wird das Neugeborenen-Screening der färöischen Babys standartmäßig durchgeführt.

2008 und 2009 verstarben zwei junge färöische Erwachsene, bei denen als Todesursache ein schwerer Carnitinmangel durch einen Carnitin Transporter-Defekt (CTD) festgestellt wurde. Daraufhin wuchs in der Bevölkerung der dringliche Wunsch, Möglichkeiten zu schaffen, um von der Krankheit betroffene Menschen schnell ausfindig zu machen, denn der Verdacht, dass es sich um eine häufig auftretende Krankheit handelte, erhärtete sich. Die Krankheit kann nämlich recht gut und nebenwirkungsfrei durch die regelmäßige Einnahme eines Medikamentes in Form von Saft oder von Tabletten behandelt werden. 

Nach einer längeren Debatte, wie man die Erkrankung sicher und kostengünstig bei allen Interessierten aufdecken könnte, entschied sich das Land, Carnitin in Trockenblut-Proben messen zu lassen – eine einfache und dennoch ziemlich fehlerfreie Methode. Der Andrang für die Blutentnahme bei den färöischen Laboren war überwältigend. Zu Hunderten standen die Menschen Schlange! 

Leider war es nicht möglich, die Untersuchung den Bürgern kostenfrei anzubieten und die Landeskasse bezahlen zu lassen, das hätte das Budget des Gesundheitsresorts zu stark belastet. Aber das Labor in Hannover bot den Test für einen sehr niedrigen Preis an, der nur die tatsächlichen Materialkosten deckte auf Vermittlung von Frau Dr. Steuerwald und als eine großzügige Geste von Professor Sander, dem damaligen Laborleiter.  Solche Vorsorge-Untersuchungen werden vom färöischen Gesundheitswesen eigentlich kostenfrei angeboten, daher musste eigens für dieses Projekt eine Gesetzesänderung im Thing – dem färöischen Parlament – vorgenommen werden. Nach der Blutentnahme wurden die Proben nach Deutschland verschickt. Ergab sich bei der Untersuchung ein dringlicher Krankheitsverdacht, erfolgte eine telefonische Rückmeldung an die Klinik in Tórshavn. Dort wurden die Betroffenen unverzüglich einbestellt und erhielten lebensrettende Behandlungen. 

Pál Weihe lobte die altruistische Einstellung der Ärztin. Sie selbst erklärte gegenüber dem Nordlandführer, dass sie es mit der reinen Behandlung nicht bewenden ließ. Sie nahm sich die Zeit, um in Abendkursen den Patienten die Auswirkungen und die Konsequenzen bei Nichteinnahme der Medikamente zu erläutern und verbreitete so das Verständnis um die Krankheit. Eine Initiative die von den Färingern hochgeschätzt wird.

Kein Wunder, dass die meisten Färinger „Ulrike und CTD“ kennen. Manche sprechen die Ärztin sogar einfach an wo auch immer sie ihr begegnen und erzählen ihr, dass die Frau Doktor ihnen bei der Geburt eines Kindes half, oder wie sie ihr Asthma krankes Kind behandelt hatte. Sie fühlt sich nach eigener Aussage heute genauso auf den Färöer-Inseln zuhause wie in ihrer Heimat Hannover. 

Das Protokoll einer Geißelung

Lepra war eine der grausamsten Heimsuchungen welche Menschen ohne wirksame Gegenwehr am ganzen Körper furchtbar entstellte. Bakterien verursachten seit vorbiblischer Zeit schreckliche Tragödien. Unentdeckt und unerkannt verrichteten sie ihr grausames Handwerk bis ein Bergener Arzt ihnen endlich auf die Schliche kam.
Krankheiten oder Unglücksfälle gehören nicht unbedingt zu den beliebten Unterhaltungsthemen, schon gar nicht im Urlaub. Wer jedoch über die Hintergründe der Überwindung von Lepra mehr verstehen will, der wird bei einem Besuch des Lepramuseums in Bergen so einiges in Erfahrung bringen können. Es ist im St. Jörgensen Krankenhaus untergebracht, ein ehemaliges Heim für an dieser lange Zeit als unheilbar geltenden Krankheit leidenden Menschen. Gerhard H. A. Hansen entdeckte in Bergen 1873 beim Blick in sein Mikroskop, dass Lepra wahrscheinlich durch bestimmte stäbchenförmige Bakterien ausgelöst wurde. Das war der Beginn des Durchbruchs im Kampf gegen diese grausame Erkrankung. Schon aus biblischer Zeit bekannt, gehört Lepra zu den ältesten Plagen der Menschheit. Die Krankheit hatte nach ihrem Ausbruch drastische Folgen für die Betroffenen. Lepra, das zu nächst die Haut angreift, führt im weiteren Verlauf zu entsetzlichen Verstümmelungen der Gliedmaßen und hatte früher zur Folge, dass die Erkrankten aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Daher stammt auch die Bezeichnung „Aussatz“ für Lepra. Nicht selten wurden Betroffene am Eingang zur Quarantäne, wenn es denn eine solche gab, mit einer Totenzeremonie für immer verabschiedet. Fortan galt der Kranke als tot, obwohl er noch am Leben war und von den An gehörigen wurden keine weiteren Kontakte erwartet oder gar erwünscht. Mit dem Einzug der christlichen Barmherzigkeit änderte sich das Verhalten den Kranken gegenüber und besonders Geistliche und Nonnen wandten sich ihnen in selbstloser Fürsorge zu. Das St. Jörgens Krankenhaus Im St. Jörgens Krankenhaus, das mit dem Ableben des letzten Patienten 1946 geschlossen wurde, ist die fünf hundertjährige Geschichte einer Einrichtung für Aussätzige dokumentiert. Generationen von Leprakranken waren hier einst untergebracht, denn mit dem Ausbruch der Krankheit waren sie gezwungen, ihre gewohnte familiäre Umgebung zu verlassen um zeitlebens in dieser Einrichtung zu bleiben. Trotz aller Tragik ihrer Erkrankung lebten sie doch in einer für damalige Verhältnisse vergleichsweise menschenwürdigen Umgebung, wenn auch jede Aussicht auf Heilung quasi ausgeschlossen war. Geistliche, Ärzte, Nonnen und weltliche Krankenschwestern kümmerten sich um die Ausgestoßenen und waren dabei selbst in ständiger Gefahr, angesteckt zu werden. Sein heutiges Aussehen erhielt das Institut 1745, nach dem es in den voran gegangenen Jahrhunderten wiederholt abgebrannt war, dann allzu hastig wieder aufgebaut und aufs Neue abgerissen, wurde es damals schließlich ganz neu konstruiert. Die Patienten beschäftigten sich, soweit möglich, in Haus und Hof und waren für ihre Versorgung, wie z.B. das Zubereiten von Speisen, selbst verantwortlich. Im Westflügel war eine Abteilung für Patienten mit weniger ansteckenden Krankheiten untergebracht und teilweise hat man St. Jörgens auch als Seniorenheim genutzt. Imposant ist auch die aus mächtigen Holzplanken gezimmerte Kirche, die in das Ensemble integriert ist. Das Museum befindet sich im Stadtzentrum von Bergen und ist daher gut erreichbar. Die Inneneinrichtung ist mit Hinweisen ausgestattet, derzeit allerdings nur auf Norwegisch. Es empfiehlt sich daher, nach einer Führung zu fragen oder eine Broschüre (nur in Englisch) im Museum zu kaufen.

Stille Helden von Heute

Die Beispiele wie aus persönlichen Schicksalsschlägen Impulse für Projekte einer besseren Welt werden sind vielfältig aber nicht immer so bekannt wie das Beispiel von Astrid Lindgren. Während einer Pressereise zu der Gustaf Gustafsson der damalige Leiter der Tourismusentwicklung der Westfjorde eingeladen hatte wurde ich aufmerksam auf Vilborg Arnardóttir. Es war nicht die Tatsache, dass sie jahrelang ihre Freizeit opferte um einen Spielplatz für Kinder in Sudavik zu errichten, der auf einem Gelände entstand auf dem 1995 vierzehn Menschen durch eine Schneelawine ihr Leben verloren, oder dass sie drei Tonnen Gebäck (Kleinur) backte und durch deren Verkauf das Projekt finanzierte, es war etwas weitaus tiefer liegendes was mich zutiefst bewegte. Zugegeben ihr Einsatz war schon außergewöhnlich. Einen Tag nach dem ersten Kennenlernen erfuhr ich den Hintergrund und die Motivation für ihr Handeln: Bereits mit 24 Jahren verlor sie ihren Mann durch eine Schneelawine und ihren siebzehn jährigen Sohn, Jahre später, durch einen Autounfall. Situationen in denen viele wohl verzweifelt und bitter geworden wären, beschloss sie etwas Positives für die Menschen zu tun. „Angesichts der Tatsache, dass Leute ihre gesamte Familie verloren haben, kann ich nicht klagen wenn es anderen schlechter geht als mir“ sagte mir Vilborg. Ich bin der Meinung, dass Menschen mit dieser Einstellung und Lebensweise zu den wahren Stars unserer Gesellschaft gehören. Tief beeindruckt von der menschlichen Größe Vilborgs am nordwestlichen Ende Europas, danke ich einen solchen Menschen getroffen zu haben.

“Wahre Liebe oder Ware Liebe?”

Von der traurigen Wahrheit hinter der Prostitution und dem nordischen Modell.

Gelegentlich verbinden noch so manche Lust und Möglichkeiten des freien Sexes mit Skandinavien. Lang ist es her so resümieren wir. Vor beinahe zwei Jahrzehnten warb eine isländische Fluggesellschaft mit „one night stands“ für Zwischenaufenthalte in Island um den „Felsen“ im Nordatlantik wie er in den Augen so mancher Einheimischer erschien, attraktiv für den Tourismus zu machen. Vergleichen lässt sich das mit einer jungen Dame, die ihres Wertes nicht bewusst beginnt sich zu prostituieren. Die Zeiten in denen Blondinnen auf den Umschlägen von Videos und CDs einschlägiger Videoläden die Lust auf den Norden weckten sind seit langem Geschichte.
Inzwischen ist viel geschehen und es ist just der Norden der die Menschenrechte der Frauen in die Hände genommen hat und Vorreiter bei der Beseitigung eines ganz großen Unrechts geworden ist. Eine ganze Reihe von Ländern hat das sogenannte nordische Modell übernommen das auf vier Säulen basiert:

1.) Der Kriminalisierung von Sex-Käufern
2.) Der Entkriminalisierung sich prostituierender Menschen 3.) Hilfe beim Ausstieg aus der Prostitution
4.) Aufklärung

Deutschland ist quasi umzingelt von Ländern die dieses Modell anwenden, während hierzulande die Prostitution liberalisiert und legalisiert wurde. Mit dem Hintergedanken Frauen zu helfen sahen sich die Gesetzesgeber 2001 veranlasst vom „Schutz vor der Prostitution“ zum „Schutz in der Prostitution“ neue Rahmenbedingungen zu schaffen und die Gesetzeslage einschneidend veränderten und Deutschland so zu einem Eldorado von Geschäften mit Sex zu machen. Unverantwortlich muss man das Wegsehen bei zum Teil dramatischen Menschenrechtsverletzungen kritisieren die sich in Folge der neuen Lage vor unseren Haustüren abspielten und bis heute fortsetzen. Keiner der politischen Parteien sah sich veranlasst sich mit den Konsequenzen dieser in Europa einmaligen Situation kritisch auseinanderzusetzen und zu prüfen ob Absicht und Erfolg des neuen Gesetzes dem Wohl der Frauen dienten. Nach Aussage der Traumatherapistin Ingeborg Kraus sind sich Gesetzeshüter vor Ort einig, dass 96-98% der Prostituierten fremdbestimmt werden, von Freiheit kann hier keine Rede sein, im Gegenteil. Frau Kraus geht hier noch weiter und behauptet, dass Prostituierte welche „freiwillig“ ihren Körper verkaufen oft Gewalt in der Familie erfahren haben und quasi vorgeprägt Erniedrigungen ertragen. Frauen werden für eine Penetration bezahlt unter deren Folgen sie oftmals Jahre zu leiden haben, während gleichzeitig Männer nach Lust und Freude ihrem Vergnügen frönen, die Kehrseite des Gesetzes welches Sexkäufern einen Freibrief verleiht. Dies ist unvereinbar mit der Gleichstellung von Mann und Frau. 70% der Frauen, laut Frau Kraus, leiden an post traumatischen Störungen als Folgen der Prostitution die sie nicht selten ein Leben lang verfolgen. Die Zahl derer die unter den Folgen leiden sei aber noch wesentlich höher, fügt sie hinzu. Eigentlich kaum vorstellbar, dass in einem Land im Herzen Europas fundamentale Menschenrechte von Gesetzes wegen zugunsten einer zügellosen Lust und Macho Kultur außer Kraft gesetzt werden. Liebe und Sex als Ganzheit zu begreifen, dass ganz entscheidend zum Wohlbefinden des Einzelnen und einer gesunden Gesellschaft beiträgt bedarf keiner Expertenmeinung sondern sollte Teil eines gesunden Menschenverstandes sein, dass ist jedenfalls die Meinung unseres Redaktionsteams.

Klimawandel im Fokus

Nachdem die letzte arktische Kreis (Arctic Circle) Kongress 2020 Corona bedingt ausfiel war es heuer die erste Großveranstaltung in Island seit dem Ausbruch der Pandemie. 1400 Teilnehmer  aus 50 Ländern wiesen pflichtgemäß alle zwei Tage einen Antigen Test vor der zur Teilnahme an einem bunten Programm berechtigte welches überwiegend in der Harpa dem Kongresszentrum von Reykjavik ausgetragen wurde. 400 Beiträge füllten das Programm während drei Tagen im Oktober 21.

Ein Vertreter unsere Redaktion beobachtete für sie den ersten Tag des Kongresses den traditionellen Höhepunkt der Veranstaltung.

Im Zentrum der Eröffnungsansprachen der Hauptredner stand der Klimaschutz, das Thema welches die Weltöffentlichkeit neben der Pandemie derzeit wohl am meisten beschäftigt.

Während der Gründer des arktischen Kreises, der frühere Präsident Islands Olafur Grimsson noch die monumentale Aufgabe, nämlich die Realisierung des Kongresses in einem Umfeld der Unsicherheit,  mit den Worten „Wir haben es geschafft“ (We made it) Luft verschaffte und dafür zu Recht tosenden Beifall kassierte, war der Auftritt der Premierministerin Katrin Jakobsdóttir glanzlos. Nach den vollmundigen Ankündigungen der grünen Ministerin vor zwei Jahren, bildet Island heute das europäische Schlusslicht in der CO² Reduzierung. Ihre Partei verlor gut 5% der Stimmen bei den kurz zuvor ausgetragenen Parlamentswahlen und ist nunmehr lediglich dritte Kraft im Parlament. Anstelle von Apellen zum Klima mahnte sie mehr weibliche Präsenz an, in einem Saal gespickt mit weiblichen Führungskräften.

Der Vertreter der europäischen Union bekräftigte die Gedanken der EU unter dem Grundsatz „Wissen, Verantwortung, Engagement“ von 2012 und stellte eine Arktis-Strategie zur umfassenden Erforschung und umsichtigen, nachhaltigen Entwicklung vor. Laut einem am Vortag der hiesigen Versammlung veröffentlichten Papiers für die neue Arktis-Strategie wird die Europäische Union ein Verbot der Erschließung neuer Öl-, Kohle- und Gasvorkommen in der Arktis anstreben, um eine vom Klimawandel stark betroffene Region zu schützen. … „Die Arktis ist eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen“.

Das in der letztjährigen Ausgabe des Nordlandführers beschriebene Projekt MOSAIK des Alfred Wegener Instituts in der Arktis fand ebenfalls Platz während des Kongresses.

Im anschließenden Panel gespickt mit Vertretern eines neu geformten Arktis Komitees des weißen Hauses sowie der Senatorin Alaskas Lisa Murkowski stellte Herr Grimsson den Vertretern einige Fragen, darunter auch, ob man mit einer Gesinnungsänderung hinsichtlich der Arktis unter der Biden Administration rechnen könne. Ungefragt nahm die Senatorin das Kaufgebot für Grönland zurück. Grimsson antwortete, dass er dies bereits wüsste. Immerhin gab es zu keiner Zeit ein Verkaufsangebot Grönlands zumindest ist dies der Redaktion nicht bekannt. Die meisten Anwesenden fanden dies überaus amüsant, nicht so die Ministerin für Landwirtschaft aus Grönland Kalistat Lund. Es sei angebracht nicht über Grönland sondern mit den Grönländern zu reden, ein Seitenhieb auf die amerikanischen und EU Beiträge zum Thema. Die Ministerin welche den Premierminister Grönlands vertrat erklärte, dass es keine weiteren Lizenzen für Bohrungen nach Erdöl und Gas im Land geben werde. Des Weiteren stellte sie die Frage wieviel Wachstum nötig sei um Wohlstand zu generieren. Grenzen des Wachstums müssten früher gezogen werden um die Umwelt zu schonen. Nach Auffassung der Redaktion war es der substantiellste Inhalt des gesamten Hauptprogramms, da hier über reine Absichtserklärungen hinaus nachhaltige Gesetzesbeschlüsse zum Wohle der Umwelt vorgestellt wurden. Umso beeindruckender, da Bewohner der Arktis wohl die Einzigen sind welche von einer Erwärmung des Klimas profitieren würden. Die Ministerin stellte auch die Zusammenarbeit mit China, Südkorea und Japan heraus. Eigens angereist war eine Regierungs – und Experten Delegation aus Südkorea, welche mit einem aus 300 Wissenschaftlern und einem neuen Forschungsschiff zur Erforschung der Arktis auf sich aufmerksam machte. Die in den vergangenen Jahren starke Präsenz Chinas und der Russlands war diesmal nicht spürbar. So gesehen bildete Frau Lund auch einen Brückenschlag aus der westlichen Dominanz des Kongresses indem sie ihre „Vettern“* aus Ostasien mit ins Boot nahm.

Nicola Sturgeon die erste Ministerin Schottlands genoss ihren Auftritt, umso mehr als sie feststellte, dass ein Vertreter des britischen Unterhauses im Publikum saß. Der nördlichste Teil Schottlands sei der Arktis näher als dieser London, stichelte sie zufrieden. Herr Grimsson ließ es sich nicht nehmen zu kommentieren, dass es den Begriff „Erster Minister“ in Island nicht gäbe, stattdessen träfe hier der Titel des Premierministers eher zu, aber dies würde wohl zu diplomatischen Irritationen führen, fügte er schmunzelnd hinzu. Klar, dass der Unterhausabgeordnete alles andere als „amused“ über solche Bemerkungen war.

Die Ministerin welche ein treuer und gern gesehener Gast des arktischen Kreises ist stellte den anschließenden stattfindenden Klimagipfel COP26 in Glasgow vor. Beinahe prophetisch verkündete sie, dass es die möglicherweise letzte Chance sei das Klima zu retten.

Letzter Sprecher des Eröffnungsprogramms war der Außenminister Dänemarks Jeppe Kofod welcher die Frage eines Professors aus Island nach einem Plan B zurückwies. Gemeint war, ein Szenario welches die unaufhaltsame Klimaverschlechterung im Zentrum hat und sich mit möglichen Alternativen auseinandersetzt. Es gäbe keinen Plan B, genauso wie keinen Planeten B, war die engagierte Antwort des Ministers. Alles müsse getan werden um das Klima nicht kippen zu lassen.

Kurzum fast drei Stunden intensiver Beiträge ließen die Zeit im Nu vergehen und die Teilnahme vieler junger Menschen an dem Kongress lässt hoffen, dass das Thema Klima genauso ernst genommen wird wie die Pandemie. Zu guter Letzt verkündete der Veranstalter eine von Covid verschonte Veranstaltung. Vielleicht warf auch die Natur ein gnädiges Auge auf diese wichtige Veranstaltung, angesichts weltweit wieder steigender Infektionen.

  • Grönländer, wie auch alle sonstigen Inuit stammen ursprünglich aus Asien.