Von übernatürlicher Liebe überrascht und die Folgen für eine moderne Frau

Es war nicht die Geschichte einer übernatürlichen Begegnung mit dem Göttlichen, das unsere Redaktion bewog, ein Interview mit Charlotte Rörth zu führen, sondern die Tatsache, dass ganz Dänemark von ihr spricht. Charlotte ist Journalistin und war Agnostikerin. Sie entsprach so völlig dem Klischee einer modernen skandinavischen Frau, dass man nicht umhinkommt, ihrem denkwürdigen Erlebnis Ende 2008 Beachtung zu schenken.

Was ist für Sie die typische Lebenswelt einer Dänin in Bezug auf die inneren Qualitäten wie Glück, Liebe und inneren Frieden? Wie war Ihr Leben vor Ihrem besonderen Erlebnis mit Jesus?


Die typische dänische Denkweise ist sehr rational ausgerichtet. In den verschiedenen Ranglisten erscheinen wir immer wieder an der Spitze der Länder mit den glücklichsten Bürgern. Der Hauptgrund dafür ist, dass wir Vertrauen in unsere Gesellschaft haben. Wir vertrauen unseren Politikern, der Bürokratie und dem Gesundheitssystem. Das sind die Ergebnisse, zu denen Soziologen kommen. Vertrauen ist hier der wesentliche Faktor. Nicht so sehr Glück oder glücklich sein, sondern Glück im Sinne von sich sicher zu fühlen, dass man sich um einen kümmert. Es ist die Wohlfahrtsgesellschaft, welche uns zu den glücklichsten Menschen der Welt macht.
Glück im eigentlichen Sinne ist es nicht und das sehen wir, wenn wir unser Augenmerk auf den mentalen Zustand setzen. Die Selbstmordrate gehört hier zu den höchsten der Welt. Es gibt eine wachsende Zahl von Menschen mit psychischen Krankheiten und das hat nichts mit Sicherheit zu tun, sondern damit, dass jemand keinen Sinn im Leben erkennt. Den Traum vom Wohlfahrtsstaat haben wir erfüllt, aber das ist ein praktischer Traum, der uns nicht den Sinn des Lebens erklärt. Hier haben wir ein Defizit. Wir haben das Gefühl, dass wir das nicht brauchen und auch nicht wollen (Sinn). Es ist ein Dilemma, je mehr die Gesellschaft sich um alle kümmert, umso weniger Verantwortung übernimmt der Einzelne und fühlt sich als Teil des Ganzen. Und das ist so, weil wir den Glauben außen vorlassen und alles nur rational wahrnehmen.
Auf der anderen Seite suchen die Menschen nach dem Sinn des Lebens und es gibt heute zunehmend mehr Spiritualität als noch vor zehn Jahren. Da die Kirche eine große Rolle in der Gesellschaft spielt, wurde sie ebenfalls sehr nüchtern und grenzte den spirituellen Teil aus. Aber genau danach suchen die Menschen heute. Viele meinen, es gäbe diese nicht innerhalb der Kirche, aber es gibt sie doch.
Ich war eine durchschnittliche Person, irgendwie sehr normal: Gute Ausbildung, eine großartige Arbeit, drei sehr fordernde Kinder. Ich kümmerte mich gewöhnlich um andere und hatte gar keine Zeit, meinen inneren Frieden zu suchen und zu finden. Es hieß zunächst, ich könne keine Kinder bekommen und als ich dann schwanger wurde, war ich so glücklich. Ich würde nie behaupten, dass ich mein Leben meisterte. Ich war eine normale Person aber auch ausgefüllt mit viel Arbeit und ohne einen Moment des Innehaltens oder der inneren Ruhe. Es gab niemanden, der mich umsorgte, während ich mich stets um andere bemühte.

Eine Werbekampagne der dänischen atheistischen Gesellschaft im Jahr 2016 führte zu einer großen Anzahl von Austritten aus der (Staats-)Kirche. Wie denken Sie darüber?

Das war eine maßlos übertriebene Behauptung! Sie hängen an Gott wie kaum eine andere Gruppe, denn ohne Ihn hätten sie nichts wogegen sie sich wenden könnten. Sie hängen an einer überholten Vorstellung über Gott: Einem weisen alten Mann mit Bart, der in den Wolken sitzt und über uns regiert. Das ist aber nicht die Vorstellung, welche die meisten Gläubigen teilen. Die meisten glauben an eine undefinierte, allem zugrundeliegende Macht. In mancher Hinsicht ist das gut, für mich ist es jedoch zu schwammig.

In Ihrem Buch schreiben Sie, der Protestantismus habe das religiöse Leben den Menschen ausgetrieben. Was meinen Sie damit?


Die Reformation war mehr eine Initiative der weltlichen Autorität, nicht so sehr eine religiöse. Davor waren die Kirche und der Staat mit dem König eine Einheit. Mit der Reformation kam es zu einer Aufteilung, in deren Verlauf der Mystizismus verlorenging. Auch wenn Luther ein Geistlicher war, die Reformation war nicht geistlich ausgerichtet. So wie ich es sehe, beinhaltet die Reformation nur teilweise Luthers Ideen. Das religiöse Leben wurde quasi verstaatlicht und ging verloren. Schulen wurden errichtet, Bibelstudien eingerichtet, aber die Menschen wurden mit Fragen nach dem Sinn des Lebens allein gelassen. Wir kämpfen heute immer noch damit. Dänemark erlebte auch eine Zeit des Pietismus, aber dieser wurde immer beiseitegeschoben und erntete Spott, ebenso wie die charismatischen Bewegungen. Eine der brutalsten Methoden, Menschen auszuschließen ist, sich über sie lustig zu machen. Das ist ein Werkzeug, welches die protestantische Kirche nutzte, um solche Menschen loszuwerden. Beide Bewegungen können eine Menge unkontrollierbarer Emotionen auslösen unter Gläubigen, während der Protestantismus Kontrolle ausübt. Ich hatte eine Menge Probleme damit.
Im Kern unterscheiden sich der Katholizismus und der Protestantismus nicht, aber im nächsten Schritt, dem religiösen Leben, unterscheiden sie sich doch sehr. Ich war überrascht, dass die protestantische Kirche in Dänemark mich aufnahm. Es war fast so als ob sie jemanden wie mich herbeigesehnt haben. Ich konnte Protestant sein und Begegnungen mit Gott und geistige Erlebnisse haben. Derzeit schreibe ich ein Buch darüber, wie es ist, eine christliche Frau in einer modernen Gesellschaft zu sein. Ich kann das schreiben, da ich keine ausgebildete Theologin bin. Für mich bedeutet Glaube nicht Religion, sondern zu erfahren, dass Gott mich liebt. Dies steht einer Ausbildung an einer theologischen Hochschule nicht nach. Im Protestantismus sagen wir, dass wir alle gleich sind und ein jeder ein Priester ist, aber das, was sie tun (Kirche) ist das Gegenteil. Sie sind nicht bereit anzuerkennen, dass mein Glaube genauso stark ist, wie wenn jemand eine Ausbildung genossen hat. Jemand mit theologischer Ausbildung hat das Recht mich zu korrigieren, selbst wenn der protestantische Glaube dies verneint. Ich finde, niemand hat das Recht sich in die Beziehung mit Gott einzumischen!


Viele glauben Ihnen, dass Sie Jesus tatsächlich begegnet sind, gerade deswegen, weil Ihr Leben vorher so „normal“ gewesen ist. Wie wirkt sich das in Dänemark aus?


Nun, es hatte viel mehr Aufmerksamkeit erzeugt als die Werbekampagne der Atheisten. Alle großen Medien in Dänemark führten ein Interview mit mir und bezeichnen mich als ein Phänomen. Der Leiter der dänischen Bibelgesellschaft meint sogar, dass ich bedeutender sei als alles, was in den vergangenen Jahren in der Kirche geschehen sei. Es war wie ein Schneeballeffekt, es war nicht ich als Person, sondern es traf einen Nerv bei vielen Leuten. Ich bin ‚normal‘ und tue das was die meisten ebenfalls tun. Ich erhielt tausende Briefe von Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten wie ich. Das ist nicht verwunderlich: in umfangreichen Umfragen ist dokumentiert, dass fünfzig bis fünfundsiebzig Prozent von uns geistige Erfahrungen machen, wir reden nur nicht darüber. Die BBC im Zusammenwirken mit der Universität von Wales dokumentierte, dass sechsundsiebzig Prozent der Befragten Erfahrungen gemacht haben, die über die rationale Wirklichkeit hinausgehen. Das Forum des amerikanischen Pew Forschungszentrums für Religion und öffentliches Leben fand 2009 heraus, dass fast jeder zweite Amerikaner übernatürliche Erfahrungen gemacht hat. Nicht alle von Ihnen werden zu Christen oder tun, was ich tue, sondern leben ihr Leben weiter. Ich denke, mein Erlebnis und dessen Veröffentlichung hatte einen großen Einfluss.

Etwas, das einen großen Unterschied macht oder herausragend scheint, ist Ihr sehr offenes Bekenntnis der Gefühle, die Sie nach der Begegnung mit Jesus erlebt haben. Sie erwähnen, dass Sie liebeskrank wurden. Wie geht es Ihnen heute, haben Sie sich erholt?

Mir ist schon klar, dass meine ehrliche Art außergewöhnlich ist. Ich habe nicht darüber nachgedacht als ich das Buch schrieb. Ich bin Journalistin, ich kann mir nicht Dinge ausdenken, sondern kann nur schreiben was passiert ist und das habe ich getan. Was mit meinem Körper und meinen Emotionen geschah, war schwierig zu verarbeiten, aber mir war bewusst, dass ich nicht etwas schreiben könnte, ohne dass es mir widerfahren ist. Ich konnte nicht unehrlich sein. Mir haben so viele Menschen geschrieben, dass sie es nicht wagten, auszudrücken was sie erlebt haben. Ich wollte ehrlich sein, denn dies gebietet die journalistische Ethik. Ich wollte etwas schreiben, das überprüfbar sein sollte, mit Ausnahme der Treffen mit Jesus natürlich. Dies ist sehr wichtig, um eine ernsthafte Unterhaltung zu führen. Ich hatte eine Menge Gefühle aber auch negative Reaktionen. Die Liebeskrankheit ist eine physische und eine emotionale Reaktion. Es ist schwer zu erklären, es fühlt sich an wie geliebt zu werden, gleichzeitig ist es tausendmal stärker. Dies war in keiner Weise vergleichbar mit einer gewöhnlichen Liebesgeschichte. Es war für mich der einzige Weg, diese unglaublich starken Gefühle sprachlich wiederzugeben. Wenn jemand sehr glücklich aussieht, dann meint das Umfeld ‚oh, du siehst so verliebt aus‘. Es ist der stärkste Ausdruck der Liebe, den wir kennen.

Ich habe das in meinem Buch versucht zu beschreiben, also wie meine Sehnsucht beschaffen war. Es war mehr als ein Gefühl, geliebt zu werden. Das ist eine wichtige Ergänzung. Auch haben wir keine Worte, um diese Gefühle zu erklären. Ich versuchte dies, indem ich beschrieb, was mit meinem Körper passierte. Und das war wirklich schwierig. Ich liebe meinen Ehemann und werde ihn immer lieben. Aber in was war ich hier verliebt? Warum verlor ich deswegen so viel an Gewicht? Ich fühlte mich angespannt, gleichzeitig so lebendig und beschwingt. Nach dem zweiten Treffen mit Jesus beruhigte ich mich. Ich fühlte mich mehr und mehr normal und ausgeglichen und nahm nicht weiter ab. Kurz bevor mein erstes Buch herauskam, starb mein Sohn, worauf mein Körper ja dann auch reagiert hat.

Ich schreibe über den Kundalini Prozess oder das Kundalini Erwachen, das einem festgelegten Muster folgt und wo ich mein Erlebnis beschrieben sehe. Zu der Zeit brauchte ich Hilfe. Ich hatte nie von starken, physischen Reaktionen auf spirituelle Begegnungen gehört, aber ich forschte viel über meine körperlichen Reaktionen und fand schließlich eine Menge darüber in der Kundalini-Erweckung. Ich durchsuchte christliche Schriften, um etwas über körperliche Erfahrungen zu finden, weil es mir passierte nachdem ich Jesus begegnet bin und das Licht von Gott empfangen hatte, aber ich konnte nichts finden. Ich verlor zwanzig Kilo, ich zitterte, meine Haut war empfindlich, ich sah Auren und Licht strahlte aus meinen Fingern. Als ich endlich auf Theresa von Avila stieß, war ich so erleichtert. Es gibt praktisch keine protestantischen Schriften außer meiner, aber ich glaube nicht, dass Protestanten die einzigen Menschen sein können, die keine körperlichen Erfahrungen gemacht haben. Sie kommen in allen Religionen vor und werden oft in der Bibel erwähnt.

Dieses Erleben kann auch ohne bewusste Konzentration erfolgen, fast so wie eine Explosion im Körper. Als ich darüber las, erkannte ich all die Symptome und Reaktionen wieder, die ich erlebt hatte. Meiner Meinung nach beginnen Religionen mit einer geistigen Erfahrung ihrer jeweiligen Gründer. Als mir das passierte, war mir nicht klar was am nächsten Tag geschehen würde. Ich wusste nicht, ob und wann das Erlebnis sich wiederholen würde und ich ohnmächtig werden würde, deswegen fuhr ich kein Auto mehr. Andere Menschen machten auch diese Erfahrung und lebten weiter wie bisher. Die Leute sind manchmal hart zu mir, da sie sich nicht in meine Situation hineinversetzen können. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem sehr angespannten emotionalen Zustand und erkennen, dass es jemanden gibt, der das gleiche Erlebnis hatte. ‚Kundalini‘ beschreibt meine Erfahrung, davon gehe ich aus. Ein Licht, das von oben kam und in meine Stirn eindrang und sich entlang meiner Wirbelsäule fortsetzte, bis es mein Steißbein erreichte und mich verließ als ich ohnmächtig wurde. Diese Energie kam aus dem Himmel, von Gott, das ist der umgekehrte Weg des Kundalini Phänomens (von innen nach außen). So wie ich es verstehe, sah Gott etwas in mir und rief es in mir wach. Verstehen Sie? Wir sind nach dem Ebenbild Gottes geschaffen (Genesis), deswegen kann Gott dies mit uns tun, uns erwecken. Das alles geschah im Dezember 2009, während einer Zeit, als ich auf dem Land lebte.

Welche Bedeutung haben die an Sie gerichteten Worte von Jesus: „Ich verlasse mich auf dich!“?


Er beantwortete meine Frage, was ich denn nun tun solle nicht, sondern appellierte an meine eigene Verantwortung. Das ist so evangelisch, wir haben Kopf, Arme, Beine und er möchte, dass wir handeln, aber es ist unsere Verantwortung. Er bringt uns zum Nachdenken. Er wird uns nicht befehlen, keinen Stein zu werfen (Johannes 8:7).
In meinem Fall musste ich zunächst darüber nachsinnen, wer ich bin und was ich tun kann. Das Einzige was ich kann, ist Journalismus. Darum habe ich ein Buch geschrieben. Zunächst gab es aber niemanden, der es drucken wollte. Alle großen Verlagshäuser lehnten ab. Am Ende war es ein kleiner (politisch) linker Verlag aus meiner elitären geistigen Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, der es veröffentlichte und es wurde ein Bestseller. Danach standen die großen Verlagshäuser Schlange mit der Hoffnung, mein nächstes Buch zu drucken.
Theologisch ist diese Frage sehr wichtig. Es reicht nicht, die Bibel von vorne bis hinten zu kennen, sondern zu verstehen, wer man selbst ist. Es braucht Ernsthaftigkeit und Mut, anzuerkennen dass Jesus existiert, sich nicht dafür zu schämen oder es zu verheimlichen. Es gibt immer noch so viele Menschen, die es peinlich finden, über den Glauben zu reden. Es ist wahrscheinlich in Deutschland ähnlich, aber diese Einstellung ist in den nordischen Ländern sehr weit verbreitet. Es scheint so, als ob es Menschen leichter fällt, sich zum Buddhismus oder den nordischen Gottheiten zu bekennen. Wenn man eine Religion wählt, die sehr anders ist als die eigene Kultur, dann ist es so, als würde man eine fremde neue Welt betreten. Man kann dann seine Religion zu etwas machen, das nichts mit dem Alltag zu tun hat. Etwa so wie Kirchgänger, die nur im Gottesdienst religiös sind, aber nicht im Alltag. Man mag den Buddhismus wählen, weil man sich ein ruhiges Leben wünscht. Als Christ bekommt man dies nicht geboten. Man erhält kein leichteres Leben dadurch, dass man Christ wird. Es ist schwieriger als keinen Glauben zu haben.


Wenn Sie ihr Leben vor und nach Ihrer Erfahrung miteinander vergleichen, wie ist das für Sie?

Ich kann das nicht tun, weil mein Sohn starb als das erste Buch veröffentlicht wurde. Wenn Sie fragen, wie mein Leben ab der Erscheinung bis zur Veröffentlichung des Buches war, dann würde ich sagen, mein Leben spielte sich zwischen großem Glücksgefühl und Spannungen ab. Ich kann nicht sagen, dass mein Leben früher in einer Skala bei fünf war und jetzt bei zehn, denn so ist es nicht. Nachdem mein Sohn starb, war mein Gefühlsleben starken Schwankungen unterworfen. Auf der einen Seite das Erlebnis mit Jesus, auf der andern die Trauer um meinen Sohn. Vorher führte ich ein anonymes und jetzt ein sehr öffentliches Leben. Es gab so viele Veränderungen und ich glaube, es ist nicht entscheidend, welches Leben besser war, da es irrelevant ist ob ich glücklich bin oder nicht, denn ich kann meinen Sohn nicht zurückbekommen. Natürlich kann ich niemals vollkommen glücklich sein, ich werde immer weinen. Heute weiß ich allerdings mehr über das Leben.

Was sagen Sie zu Menschen, die auch ihr Kind verloren haben und Gott dafür anklagen, dass Er es zugelassen hat?

Wenn Leute so reagieren, verstehe ich nicht wirklich, dass sie an Gott glauben. Warum sollte Gott so etwas tun? Er hat uns alle erschaffen und kümmert sich um uns. Wir töten uns selbst oder töten andere. Ich denke, es ist eine unchristliche Art, Gott dafür verantwortlich zu machen. Gott ist immer da, aber in diesem Bewusstsein zu leben, ist eine Wahl, die wir zu treffen haben. Man muss auch lernen, mit offenen Fragen zu leben. In dem Moment, in dem man meint, die Antworten zu kennen, wird man zu Gott, aber wir sind nicht Gott, wir sind seine Kinder. Leute sagten zu mir ich hätte so großes Glück, dass mein Sohn gestorben ist, erst nachdem ich Jesus getroffen habe. Ich erwiderte ihnen dann ‚Weißt du was du da sagst? Das würde bedeuten, er starb meinetwegen‘. Menschen sind verzweifelt und versuchen, eine sinnvolle Erklärung zu finden.

Welchen Rat würden Sie einem ‚durchschnittlichen‘ Menschen geben, der solche Erfahrungen nie gemacht hat, aber dessen Interesse durch das Lesen Ihres Buches geweckt wird?

Ich würde ihm raten, innerhalb der Familie und mit Freunden darüber zu sprechen. Es gibt Leute, die mir sagen, dass sie in ihrer Familie nicht über den Glauben reden können. Ich meine, wenn das nicht möglich sein soll, dann frage ich mich in was für einer Art Beziehung man da lebt und ob man diese dann nicht auch überdenken sollte.
Es ist auch sehr wichtig, mit einem Priester zu sprechen, auch wenn man kein Christ ist. Es ist notwendig, diese Erfahrungen nicht als das eigene private Glück zu begreifen, sondern als etwas, das Teil der Menschheit ist und schon immer war. Priester wissen das und können ihre Erfahrungen in einen Kontext stellen und darauf aufmerksam machen, nicht nur in Erinnerungen zu schwelgen, sondern Gutes daraus zu gewinnen und es zu vermehren.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!


Stille Helden von Heute

Die Beispiele wie aus persönlichen Schicksalsschlägen Impulse für Projekte einer besseren Welt werden sind vielfältig aber nicht immer so bekannt wie das Beispiel von Astrid Lindgren. Während einer Pressereise zu der Gustaf Gustafsson der damalige Leiter der Tourismusentwicklung der Westfjorde eingeladen hatte wurde ich aufmerksam auf Vilborg Arnardóttir. Es war nicht die Tatsache, dass sie jahrelang ihre Freizeit opferte um einen Spielplatz für Kinder in Sudavik zu errichten, der auf einem Gelände entstand auf dem 1995 vierzehn Menschen durch eine Schneelawine ihr Leben verloren, oder dass sie drei Tonnen Gebäck (Kleinur) backte und durch deren Verkauf das Projekt finanzierte, es war etwas weitaus tiefer liegendes was mich zutiefst bewegte. Zugegeben ihr Einsatz war schon außergewöhnlich. Einen Tag nach dem ersten Kennenlernen erfuhr ich den Hintergrund und die Motivation für ihr Handeln: Bereits mit 24 Jahren verlor sie ihren Mann durch eine Schneelawine und ihren siebzehn jährigen Sohn, Jahre später, durch einen Autounfall. Situationen in denen viele wohl verzweifelt und bitter geworden wären, beschloss sie etwas Positives für die Menschen zu tun. „Angesichts der Tatsache, dass Leute ihre gesamte Familie verloren haben, kann ich nicht klagen wenn es anderen schlechter geht als mir“ sagte mir Vilborg. Ich bin der Meinung, dass Menschen mit dieser Einstellung und Lebensweise zu den wahren Stars unserer Gesellschaft gehören. Tief beeindruckt von der menschlichen Größe Vilborgs am nordwestlichen Ende Europas, danke ich einen solchen Menschen getroffen zu haben.

“Wahre Liebe oder Ware Liebe?”

Von der traurigen Wahrheit hinter der Prostitution und dem nordischen Modell.

Gelegentlich verbinden noch so manche Lust und Möglichkeiten des freien Sexes mit Skandinavien. Lang ist es her so resümieren wir. Vor beinahe zwei Jahrzehnten warb eine isländische Fluggesellschaft mit „one night stands“ für Zwischenaufenthalte in Island um den „Felsen“ im Nordatlantik wie er in den Augen so mancher Einheimischer erschien, attraktiv für den Tourismus zu machen. Vergleichen lässt sich das mit einer jungen Dame, die ihres Wertes nicht bewusst beginnt sich zu prostituieren. Die Zeiten in denen Blondinnen auf den Umschlägen von Videos und CDs einschlägiger Videoläden die Lust auf den Norden weckten sind seit langem Geschichte.
Inzwischen ist viel geschehen und es ist just der Norden der die Menschenrechte der Frauen in die Hände genommen hat und Vorreiter bei der Beseitigung eines ganz großen Unrechts geworden ist. Eine ganze Reihe von Ländern hat das sogenannte nordische Modell übernommen das auf vier Säulen basiert:

1.) Der Kriminalisierung von Sex-Käufern
2.) Der Entkriminalisierung sich prostituierender Menschen 3.) Hilfe beim Ausstieg aus der Prostitution
4.) Aufklärung

Deutschland ist quasi umzingelt von Ländern die dieses Modell anwenden, während hierzulande die Prostitution liberalisiert und legalisiert wurde. Mit dem Hintergedanken Frauen zu helfen sahen sich die Gesetzesgeber 2001 veranlasst vom „Schutz vor der Prostitution“ zum „Schutz in der Prostitution“ neue Rahmenbedingungen zu schaffen und die Gesetzeslage einschneidend veränderten und Deutschland so zu einem Eldorado von Geschäften mit Sex zu machen. Unverantwortlich muss man das Wegsehen bei zum Teil dramatischen Menschenrechtsverletzungen kritisieren die sich in Folge der neuen Lage vor unseren Haustüren abspielten und bis heute fortsetzen. Keiner der politischen Parteien sah sich veranlasst sich mit den Konsequenzen dieser in Europa einmaligen Situation kritisch auseinanderzusetzen und zu prüfen ob Absicht und Erfolg des neuen Gesetzes dem Wohl der Frauen dienten. Nach Aussage der Traumatherapistin Ingeborg Kraus sind sich Gesetzeshüter vor Ort einig, dass 96-98% der Prostituierten fremdbestimmt werden, von Freiheit kann hier keine Rede sein, im Gegenteil. Frau Kraus geht hier noch weiter und behauptet, dass Prostituierte welche „freiwillig“ ihren Körper verkaufen oft Gewalt in der Familie erfahren haben und quasi vorgeprägt Erniedrigungen ertragen. Frauen werden für eine Penetration bezahlt unter deren Folgen sie oftmals Jahre zu leiden haben, während gleichzeitig Männer nach Lust und Freude ihrem Vergnügen frönen, die Kehrseite des Gesetzes welches Sexkäufern einen Freibrief verleiht. Dies ist unvereinbar mit der Gleichstellung von Mann und Frau. 70% der Frauen, laut Frau Kraus, leiden an post traumatischen Störungen als Folgen der Prostitution die sie nicht selten ein Leben lang verfolgen. Die Zahl derer die unter den Folgen leiden sei aber noch wesentlich höher, fügt sie hinzu. Eigentlich kaum vorstellbar, dass in einem Land im Herzen Europas fundamentale Menschenrechte von Gesetzes wegen zugunsten einer zügellosen Lust und Macho Kultur außer Kraft gesetzt werden. Liebe und Sex als Ganzheit zu begreifen, dass ganz entscheidend zum Wohlbefinden des Einzelnen und einer gesunden Gesellschaft beiträgt bedarf keiner Expertenmeinung sondern sollte Teil eines gesunden Menschenverstandes sein, dass ist jedenfalls die Meinung unseres Redaktionsteams.