Finnland und Deutschland, mehr als nur Partner in der EU

Das Deutsche Reich spielte sowohl im 1. und auch im 2. Weltkrieg eine Rolle im Unabhängigkeitskampf Finnlands. Der Nordlandführer berichtete bereits 2020 über den 2. Weltkrieg und die Rolle beider Länder darin. Diesmal befragten wir den Geschichtsforscher der Universität Helsinki, Dr. Oula Silvennoinen, über die deutsch-finnische Kooperation während des 1. Weltkrieges.

Finnland war Teil des schwedischen Königreichs, bevor es Teil des Russischen Zarenreiches wurde. Warum wurde Finnland zu einer Kolonie Russlands? Wie kam es dazu und auf welche Weise herrschte der Zar über Finnland?

Finnland war nie eine Kolonie im modernen Sinne des Wortes, sondern seit dem Mittelalter einfach der angestammte östliche Teil des Königreichs Schweden. Die schwedischen Könige festigten ihre Herrschaft über Finnland in der Zeit vom 13. bis 15. Jahrhundert durch den Bau von Burgen. Finnland wurde manchmal als Großherzogtum bezeichnet – dennoch war es ein integraler Bestandteil des Reiches, wenn auch etwas ärmer und rückständiger. Nachdem die Russen Finnland zwischen 1808 und 1809 im Rahmen des Abkommens von Zar Alexander mit Napoleon erobert hatten, regierte der russische Zar das Land als Großherzog und setzte somit die schwedische Art der Herrschaft fort.
Finnland war während des Ersten Weltkriegs von der Teilnahme am Krieg ausgenommen. Im Allgemeinen hat sich die wirtschaftliche Lage Finnlands unter dem russischen Regime verbessert. Welche Motive trieben die Unabhängigkeitsbewegung voran?

Die wichtigste Motivation hinter der Unabhängigkeitsbewegung war das Aufkommen des finnischen Nationalismus im 19. Jahrhundert. Dennoch blieb das Land bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts ein bemerkenswert loyales Grenzland des Russischen Reiches, bis eine Politik der Russifizierung eingeführt wurde mit der Absicht, das Reich kulturell homogener zu gestalten. Dies führte zu heftigem Widerstand aller finnischen Volksgruppen und gab der Idee der Unabhängigkeit immer mehr Rückhalt. Dennoch war die Wirtschaft weiterhin stark an die Märkte in Russland gebunden. Der ausschlaggebende Faktor war der Zusammenbruch des Zarenreiches und die bolschewistische Revolution, welche die letzten Zweifler von der Notwendigkeit eines Bruchs mit Russland überzeugte.

Einige Finnen traten dem deutschen Militär, den finnischen Jägern, bei und bildeten das Rückgrat der Entstehung der finnischen Armee. Damit kämpften sie gegen Russland. Wie lässt sich das erklären?

Als die Unabhängigkeitsaktivisten bereits seit rund fünfzehn Jahren Widerstand gegen Russland geleistet hatten, entstand 1914 die Jäger-Bewegung. Für sie war die Idee, unter Anwendung von Gewalt unabhängig zu werden, nichts Neues mehr. Da die Mitstreiter der Jäger-Bewegung verstanden hatten, dass Russland sie als Verräter betrachtete, war dies für sie mit der wichtigeren Sache eines unabhängigen Finnlands gerechtfertigt. Außerdem hatte sich die Propaganda der Unabhängigkeitsbewegung angewöhnt, die Russen als Erzfeinde Finnlands, seiner Sprache, Kultur und Bevölkerung zu bezeichnen. Sie betrachteten den bewaffneten Kampf gegen Russland als einen Befreiungskampf.

Hat Lenin die Unabhängigkeit Finnlands akzeptiert?

Der von Lenin geführte Sowjet der Volkskommissare nahm im Dezember 1917 Finnlands Unabhängigkeitsantrag an. Dafür gab es gute Gründe: In der damaligen bolschewistischen Propaganda wurde viel Wert gelegt auf das Recht der Nationalitäten im Reich, über ihr eigenes Los zu entscheiden. Die Weltrevolution schien wie vorhergesagt zu verlaufen und Finnland würde ohnehin bald zur Einheit mit Russland zurückkehren, wenn das finnische Proletariat in der Revolution aufstehen würde. Letztendlich konnte Lenin zu diesem Zeitpunkt wenig tun, um die Unabhängigkeit Finnlands zu verhindern. Die Bolschewiken hatten gerade die Macht übernommen und befanden sich noch in einer instabilen Lage, umgeben von Feinden. Sie brauchten keinen zusätzlichen Feind mehr.

Wie kann die extreme Radikalisierung, die in einem Blutbad endete, in einer so kleinen Nation nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verstanden werden?

Der radikalisierte Flügel der finnischen sozialistischen Bewegung übernahm Ende 1917/Anfang 1918 die Macht in der Partei und startete einen Revolutionsversuch, unterstützt von den bewaffneten Rotgardisten, die sie seit Monaten aufgebaut hatten. Sie wurden auch von der bolschewistischen Regierung ermutigt und materiell unterstützt, obwohl Lenin nicht wirklich die Kraft hatte, entscheidend in Finnland einzugreifen. Parallel dazu hatten auch die Nicht-Sozialisten in Finnland ihre Bewaffnung ausgebaut und der Bürgerkrieg von 1918 wurde zu einem Zusammenstoß der roten und weißen Paramilitärs, wobei die Weißen bald die Oberhand gewannen. Bürgerkriege sind immer blutig, weil die andere Seite nicht nur als Feind, sondern auch als Verräter angesehen wird. Der weiße Terror der Kriegs- und Nachkriegszeit und die grausame Behandlung der Verlierer wurden damals mit der Notwendigkeit begründet, einen erneuten Aufstand durch harte Maßnahmen zu verhindern.

War das Eingreifen deutscher Truppen entscheidend im finnischen Bürgerkrieg?

Das Deutsche Reich schickte im April 1918 eine Infanteriedivision unter der Führung von Rüdiger von der Goltz nach Finnland. Damit war das Schicksal der Roten Regierung besiegelt, obwohl ihre militärische Niederlage ohnehin unvermeidlich gewesen wäre. Der finnische Oberbefehlshaber Mannerheim drang vor dem Eintreffen der Deutschen verzweifelt auf eine Entscheidungsschlacht, damit es nicht aussah, als hätten die Finnen ohne diese nicht gewinnen können. Dies gelang ihm tatsächlich kurz vor der Ankunft der Infanteriedivision des von der Goltz Anfang April. Tampere, die wichtigste Stadt unter der Kontrolle der Roten, fiel in die Hände der Weißen.
Wie sahen die Finnen den Wandel vom russischen Zaren zum deutschen Prinz Friedrich Karl von Hessen als Regenten?

Das finnische Volk hatte wenig Zeit, sich an seinen König Friedrich Karl zu gewöhnen, der im Sommer 1918 vom Parlament gewählt wurde. Friedrich Karl hatte Finnland noch nicht besucht, als er mit dem Fall des Deutschen Kaiserreiches im Herbst abdanken musste. Es war also keine Zeit, die Bevölkerung dazu zu befragen, aber viele Finnen waren damals wahrscheinlich der Meinung, dass das Land einen Monarchen brauchte. Schon immer hatte es einen König oder einen Großherzog gegeben, der Finnland nominell regierte.

Sind heute die Wunden verheilt? Gibt es deswegen noch eine Spaltung im Land?

Finnland konnte 1939 bemerkenswert vereint in den nächsten Krieg gegen die Sowjetunion eintreten, obwohl die Finnen etwa zwanzig Jahre zuvor in einem Bürgerkrieg gegeneinander gekämpft hatten. Ein Großteil des Verdienstes gebührt der finnischen Republik der Zwischenkriegszeit und ihrer Politik, gerechtere Vereinbarungen für die Arbeiter und die arme Landbevölkerung zu garantieren, sowie mit den Bemühungen, die Grundlagen für ein modernes Sozialsystem und Schulen für die Allgemeinheit aufzubauen. Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, eines gemeinsam geführten Krieges, festigte dann das Gefühl einer Versöhnung zwischen den Rechten und den Linken. Obwohl der Bürgerkrieg immer noch oft erwähnt wird, insbesondere in der spaltenden politischen Rhetorik der extremen Rechten, kann man sagen, die vorherrschenden Bestrebungen in der finnischen Nachkriegsgesellschaft war eine Historie der Versöhnung.

Heute, nach der Erfahrung der Kolonial-herrschaft, einem blutigen Bürgerkrieg, und dem 2. Weltkrieg, wie hat dies die finnische Seele und die Sicht der Finnen auf Europa und die Welt verändert?

Finnen sind von Natur aus gerne unabhängig. Dies hat zwar seine positiven Seiten, führt aber auch dazu, dass einige ihr Land als vom Rest der Welt getrennt betrachten, vielleicht als sicheren Hafen, aber auch als Land, das versuchen sollte, sich von der globalen Politik und den Sorgen anderer fernzuhalten. Wir können diese Tendenz als finnischen Isolationismus bezeichnen, das ist besonders im ländlichen, konservativeren Teil der Bevölkerung ausgeprägt. Finnland ist während seiner Unabhängigkeit außerhalb der westlichen Sicherheitsarchitektur geblieben: in der Zwischenkriegszeit, weil es wirklich keine glaubwürdigen Verbündeten gegen die wachsende Bedrohung durch die Sowjetunion finden konnte, und in der Nachkriegszeit, weil die Sowjetunion Finnland nicht erlaubt hätte, der NATO beizutreten. Dies hat dazu geführt, dass viele Menschen im modernen Finnland denken, eine unabhängige Verteidigung und eine Neutralitätspolitik waren eigentlich immer im besten Interesse des Landes.

(Derzeit befürworten 26 Prozent der Finnen eine NATO-Mitgliedschaft und 40 Prozent sind gegen einen Beitritt zum Militärbündnis. Anm. der Redaktion)

Die Neutralität Finnlands war von je her eine Folge seiner geografischen Randlage und dem Mangel an Sicherheitspartnern.

Vielen Dank für das interessante gespräch!

„Falschpropaganda und Spekulationen”

Dr. Oula Silvennoinen ist Forscher an der Universität Helsinki und Experte im Bereich der Beziehungen Deutschlands mit Finnland während der Diktatur des Nationalsozialismus. Der Nordlandführer befragte ihn zu Aspekten einer komplizierten Beziehung.

Kann man sagen, dass Finnland ohne Hitler Deutschland ein Teil der Sowjetunion geworden wäre?

Nein, dem würde ich nicht zustimmen. Deutschland unterstützte Finnland in einigen Bereichen, aber es würde zu weit gehen, dass dies entscheidend für die finnische Unabhängigkeit war. Das finnische Problem, wie auch das aller an die Sowjetunion angrenzenden Staaten war, dass es weder von der Weimarer Republik noch von Hitler Deutschland Unterstützung gab. So mußte Finnland alleine gegen die Sowjetunion kämpfen. Finnland schaffte es, sich rechtzeitig von der Wehrmacht zu befreien. Außerdem lag das Hauptinteresse Stalins an der schnellen Einnahme Berlins, anstatt Truppen zur Einnahme Finnlands zu entsenden. Die Sowjetunion gab sich schließlich mit Gebietsabtretungen und der Tatsache, dass sich Finnland vom Krieg an der Seite Deutschlands zurückzog, zufrieden.

Waren die Erfolge der kleinen finnischen Armee im Winterkrieg ausschlaggebend für Hitlers Fehleinschätzung der roten Armee, was letztlich den Untergang der Nazidiktatur besiegelte?

Herman Göring brachte diese falsche Propaganda nach dem Krieg auf. Er behauptete, dass sich Deutschland nach dem Winterkrieg in die Irre führen ließ und die sowjetische Schlagkraft deswegen unterschätzte. Das war reine Spekulation, um zu verbergen, dass die Nazi Führung zu viel riskiert hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der finnische Erfolg von solcher Tragweite für den Kriegsverlauf war. Die Nazis hatten sich mit ihrem Unternehmen Barbarossa in fast jeder Hinsicht gründlich verschätzt und dazu mag der Finnland Feldzug einen Beitrag geleistet haben, der aber nicht entscheidend war. Was jeder Generalstab tut bevor er ein anderes Land angreift, ist eine gründliche Analyse des militärischen Potenzials des Gegners. Eine solche Bewertung hätte niemals allein auf dem finnischen Beispiel beruhen können.

Was sind die Gründe für die verhältnismäßig hohen Verluste auf sowjetischer Seite im Finnlandfeldzug?
Die sowjetische Armee war nicht genug dafür ausgerüstet, unter den dort herrschenden klimatischen Herausforderungen erfolgreich zu kämpfen, in schwerem Terrain schnell voranzukommen und den Nachschub zu organisieren. Da war die Truppe doch sehr rudimentär bestückt. Insbesondere im Winterkrieg 1940/41 versuchten die sowjetischen Truppen einen schnellen Sieg zu erringen, indem sie sich mehrmals durch den karelischen Isthmus durchzuschlagen versuchten, ohne ihren Gegner wirklich zu kennen. Es war eine armselige Taktik, die zu hohen Verlusten führte und ein Durchkommen so gut wie unmöglich machte. Das hätte schon eine Lektion aus dem 1. Weltkrieg sein sollen. Wohl hofften die Generäle, Stalin mit guten Berichten zu beeindrucken, was zum Festhalten an dieser selbstmörderischen und einfallslosen Strategie führte.

Schriftliche Verträge, die Finnland an die Nazis binden konnten, gab es nicht. Wie groß war der ideologische Einfluß auf die finnische Bevölkerung?

Das ist schwierig zu beantworten, da es hierzu keine Statistiken gibt. Es kommt darauf an, wen man fragt. Das ist je nach politischer Gesinnung verschieden. Wahr ist, dass das Deutsche Reich nach seinen militärischen Anfangserfolgen ein gefeierter Star in Finnland war, der eine Hoffnung gegen den übermächtigen Feind aus dem Osten sein konnte. Dies verkehrte sich gegen Ende des Krieges mit wachsender Desillusion in das Gegenteil.
Was ich jedoch bemerkenswert finde ist, dass es bis zum Ende der Finnisch-Deutschen Waffenbrüderschaft Leute gab, die Finnland an der Seite Deutschlands sahen, sei es nun Sieg oder Niederlage und die keinen separaten Frieden mit der Sowjetunion wollten.

Wurden Menschen in Finnland in Konzentrationslager verschleppt?

Finnen nein, aber sehr wohl Dutzende Ausländer, die von den finnischen an deutsche Behörden übergeben worden sind. So befanden sich darunter jüdische und polnische Flüchtlinge. Diese wurden teilweise nach Sachsenhausen, Dachau oder Ausschwitz verschleppt. Außerdem übergab die finnische Armee mehr als fünfhundert sowjetische Kriegsgefangene an die deutsche Sicherheitspolizei in Nordfinnland, welche diese wahrscheinlich zum großen Teil exekutierte.

Wie vollzog sich die Wandlung vom Freund zum Feind in der Bevölkerung?

Selbstverständlich gab es durch die jahrelange Waffenbruderschaft enge Bindungen zwischen Soldaten auf beiden Seiten und einen großen Widerwillen, gegeneinander zu kämpfen. Ursprünglich war vereinbart, dass die Deutschen einen geordneten Rückzug antreten und Finnen ebenso geordnet die geräumten Stellungen einnehmen sollten. Trotzdem kam es schließlich doch zu Kämpfen, die dann zu einem Krieg ausarteten, speziell als die Sowjetunion mehr Aktivität auf Seiten der Finnen gegen die sich zurückziehenden Deutschen verlangte. Es war von großem Interesse, der Sowjetunion keinen Grund zu geben, eine militärische Rolle in Finnland zu spielen. Allerdings verursachte die Politik der verbrannten Erde der Nazis, die sich bis in die Finnmark fortsetzte, großes Elend in Lappland und änderte die Sicht auf die Deutschen unter der finnischen Bevölkerung.

Wie sehen die Finnen Deutschland heute in Bezug auf diese Geschichte?

Das ist eine gute Frage und ein weites Feld. Es gibt ein beständiges Interesse an der Finnisch-deutschen Geschichte. Die Historie der deutschsprachigen Welt reicht bis ins Mittelalter zurück. Ich selbst und auch andere schrieben Bücher über die Zeit nach 1918. Es gibt Interesse in der Bevölkerung bei der Interpretation der Beziehungen und ein größeres Bewußtsein über den deutschen Einfluß in Finnland seit dem Mittelalter, sowie eine Anerkennung der deutschen Kultur. Ich habe meinen Sohn gebeten, Deutsch zu lernen (Oula liest und versteht Deutsch). In Bezug auf den 2. Weltkrieg sind die meisten Wunden geheilt, auch wenn die Erinnerung an die Zeit in Lappland bewahrt bleibt. Seit langer Zeit haben sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern normalisiert.

Gibt es Freundeskreise, die sich auf historische Bande berufen?

Oh ja, so gibt es hier in Finnland die Finnisch-Deutsche Gesellschaft und in Berlin das Finnland Institut. Auch Leute, die sich für Militärgeschichte interessieren, erkennen die bedeutende Rolle an, die Deutschland gespielt hat.
Es gibt auch Leute aus dem Lager des politischen Rechtsaußen, die meinen, man solle Deutschland danken wegen der 1944 geleisteten Truppenverstärkung im Angesicht der sowjetischen Militär Offensive. Dies ist aber leider ein Versuch, die Nationalsozialistische Ideologie reinzuwaschen, indem man Hitler als Retter Finnlands in der Zeit der Not deklariert.

(Tatsächlich war die militärische Lage für die Deutschen viel verwickelter, denn es befanden sich noch mehr als zweihunderttausend deutsche Soldaten in Lappland, die Gefahr liefen, eingekreist zu werden. Anm. der Redaktion)

Vielen Dank für das Gespräch!

Auf des Messers Schneide

Der finnische Freiheitskampf, ein strategisch taktisches Husarenstück

Als Reisender in den Norden frage ich mich, wie es um die gemeinsame Geschichte meines Landes und den verschiedenen Reisezielen im Norden bestellt ist. Finnland ist ein besonderer Fall. Der Titel für den Artikel hätte auch heißen können: ‚der Feind meines Feindes ist mein Freund‘. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer, ein wahres Minenfeld politischer Debatten bis heute!
In Wirklichkeit ging Finnland im Verlauf des 2. Weltkrieges Zweckbündnisse ein, um zu überleben, die bei genauerem Betrachten genial waren und Finnland einen Platz unter den freien Nationen nach dem 2. Weltkrieg sicherten. 1939 teilten die Diktatoren Adolf Hitler und Josef Stalin Polen in einem geheimen Zusatzprotokoll unter sich auf. Auf Stalins Menükarte befand sich weiter nördlich allerdings ein unerwartet vergifteter Apfel. Während die neu gezogenen Grenzlinien Polens im Osten bis heute gelten und die baltischen Staaten von der Sowjetunion quasi geschluckt wurden, leistete Finnland hartnäckig Widerstand. Nach dem ersten Überfall am 30. November 1939 und vernichtenden Niederlagen mit 130.000 gefallenen sowjetischen Soldaten, gelang es Stalin schließlich, die zu allem entschlossene kleine finnische Armee zwar zurückzudrängen, jedoch nicht zu besiegen.
Das Deutsche Reich erschien nach den schnellen militärischen Erfolgen in Westeuropa wie der kommende Star der Weltpolitik in den Augen vieler Finnen. Botschafter Blüchow sagte nach dem Inkrafttreten des Hitler-Stalin Paktes den Finnen aber lediglich diplomatische Unterstützung zu, ein Ansinnen, dass in Berlin zunächst auf Ablehnung stieß, ja für das er sogar abgemahnt wurde. Stalin wurde allerdings seitens der obersten Heeresführung (OHL) gedrängt, den Waffengang in Finnland schnell zu beenden, denn eine mögliche Kontrolle der baltischen See durch die britische Flotte war ein Schreckensszenario, das es zu verhindern galt.
Finnland, am Ende seiner Kräfte und ohne Reserven, musste nach dem Frieden von Moskau am 12. März 1940 Gebietsabtretungen und demzufolge Umsiedlungen erdulden, aber die Nation blieb bestehen. Zehn Prozent seines Landes verlor Finnland in diesem ersten Waffengang und zwölf Prozent der Bevölkerung mussten umgesiedelt werden. Finnland hatte 24 923 gefallene Soldaten zu beklagen und weitere 43 537 verwundete Soldaten zu versorgen, eine gewaltige Zahl in einem Land mit gerade mal 3,7 Millionen Einwohnern.
Englands Angebot nur eine Woche vor dem Waffenstillstand mit der Sowjetunion, eine fünfzigtausend Mann starke Kampftruppe stehe bereit und lediglich Norwegen und Schweden müssten dem Durchmarsch zustimmen, wurde von genannten Ländern abgelehnt. Finnland selbst war skeptisch, da es das Angebot als Vorwand sah, Eisenerz aus Skandinavien unter britische Kontrolle zu bringen. Tatsächlich war das Eisenerz aus Norwegen und auch Schweden wichtiger Rohstoff der Kriegsindustrie, so dass die Nazis Norwegen überfielen und im Spätsommer 1940 vor der nördlichen Grenze Finnlands standen. Finnland sah sich dadurch von möglichen westlichen Verbündeten abgeschnitten.
Die Leistung der Finnen im Winterkrieg gegen die Sowjetunion unter Marschall Mannerheim beeindruckte die Oberste Heeresleitung (OHL) und nicht zuletzt Hitler. Auf der anderen Seite war die Neueinschätzung der Schlagkraft der sowjetischen Truppen und daraus folgernd die Unterschätzung seitens der Heeresführung letztlich fatal für die Nazis. Ob sie entscheidend für die Planungen des Feldzuges ‚Barbarossa‘ waren, wird von Experten bestritten. Die Situation in Finnland mag die Wende gebracht haben, es war jedoch, wenn überhaupt, lediglich eine zeitliche Vorverlegung eines Schrittes in Richtung Osten, den Hitler ohnehin plante.
Finnlands erste Schlacht war geschlagen und erlaubte den nächsten Schritt auf dem Drahtseil der Weltpolitik, der letztlich zu Finnlands Überleben beitrug. Für die Nationalsozialisten auf der anderen Seite war es der Beginn der eigenen Vernichtung.
Der amerikanische Oberst Henrik O. Lunde analysiert die 1941 sich anbahnende Annäherung von Finnland und den Nationalsozialisten und prüft sie auf mögliche Vasallenschaft. Aus heutiger Sicht ist Finnlands Schritt mehr als nachvollziehbar. Während die baltischen Staaten von den Sowjets geschluckt wurden und Menschen zu tausenden in die Konzentrationslager Sibiriens verschleppt wurden, von wo aus sie die Wirtschaft für Jahrzehnte am Leben hielten (Alexander Solschenizyn ‚Der Archipel Gulag‘), kämpften die Finnen mit allem was sie hatten, einem solchen Schicksal zu entgehen. Wer kann ihnen das zum Vorwurf machen?
Zu Beginn des Krieges warnten die meisten deutschen Generäle vor einem Zweifrontenkrieg. Die Einschätzung änderte sich nach den schnellen Erfolgen im Westen und der armseligen Vorstellung der Sowjets in Finnland. Die Generäle unternahmen wenig gegen Hitlers Ansinnen, die Sowjetunion anzugreifen.
Geheime Vereinbarungen zwischen Finnland und der OHL führten zunächst zu Verbesserungen der Infrastruktur und schließlich der Öffnung eines Korridors für deutsche Truppen in Lappland. Den zunehmend misstrauischen Sowjets wurde die Truppenverlegung als eine Verteidigung gegen mögliche britische Angriffe verkauft, was insbesondere Außenminister Molotow schwer zu vermitteln war. Es wurde auf Zeit gespielt um das ‚Unternehmen Barbarossa‘, dem Überfall auf die Sowjetunion, bestmögliche Erfolgsaussichten zu gewähren. Den Nazis drängte es vor allem, die Erzvorkommen zu sichern und Murmansk ins Visier zu nehmen. Das bedeutete, die deutschen Truppen konzentrierten sich im Wesentlichen auf Lappland.
Finnland auf der anderen Seite drängte es danach, die verlorenen Gebiete zurückzugewinnen und im Rausch des Siegeszuges soll auch vor der Einnahme fremden Territoriums nicht zurückgeschreckt worden sein. Die Teilnahme am Feldzug gegen Leningrad (heute St. Petersburg) wurde von finnischer Seite jedoch verweigert.
Achtung vor dem Feind und deren Leistung gilt um so mehr unter Verbündeten. So gesehen ist es auch nicht verwerflich, wenn sich Waffenbrüder gegenseitig anerkennen. Generaloberst Dietl wurde mit der höchsten finnischen Kriegsauszeichnung bedacht. Hitler ehrte den finnischen Oberbefehlshaber von Mannerheim am 4. Juni 1942 zum 75. Geburtstag mit einem persönlichen Besuch in Finnland, was dieser noch im selben Monat mit einem Gegenbesuch beantwortete.
Andererseits wurde die Ideologie der Nationalsozialistischen Diktatur abgelehnt und das wurde auch akzeptiert. So kam es, dass jüdisch-finnische Soldaten Seite an Seite mit den Deutschen kämpften. Am bemerkenswertesten jedoch ist, dass Finnland keinerlei Abkommen mit Hitler schloss. Die gemeinsame Koordination gründete sich allein auf Waffenbruderschaft.
Mit den Rückschlägen an der Ostfront und der Invasion in der Normandie änderte sich die Lage und Finnland musste erneut um seine Unabhängigkeit bangen. Nun kam es zu Geheimverhandlungen mit den Sowjets über einen möglichen Frieden.
Oberbefehlshaber Mannerheim, der zwischenzeitlich zum Präsidenten Finnlands aufgestiegen war, schrieb Hitler einen Brief in welchem er sich von ihm und der gemeinsamen Zeit verabschiedete. Am Ende war es für Finnland von vitalem Interesse, dass es keine militärischen Einheiten unter deutscher Führung gab, bevor die Sowjets Pläne zur Übernahme Finnlands schmieden konnten. So kam es gegen Ende des Krieges noch zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den einstigen Verbündeten, bis diese schließlich aus Finnland vertrieben waren.
General O. Lunde beschäftigt sich ausgiebig mit dem Schicksal der deutschen 20. Gebirgsarmee deren 250 000 Mann starke Truppe einen Rückzug über zweitausend Kilometer nach Norwegen unternahm und unbesiegt in Norwegen nach Kriegsende die Waffen an die Alliierten übergab.
Am Ende war die finnische Unabhängigkeit unter Auflagen gesichert und Finnland ‚überwinterte‘ als freies Land bis zur endgültigen Zerschlagung des sowjetischen Imperiums.
Heute ist Finnland ein stolzes Mitglied der freien europäischen Gemeinschaft, wurde aber bis heute nicht Mitglied der NATO, im Gegensatz zu den baltischen Staaten die nach dem Fall der Sowjetunion keinesfalls mehr vom Wohlwollen ihres östlichen Nachbarn abhängig sein möchten.
Heute gibt es viele enge Freundschaftsbande zwischen beiden Ländern und die Deutsch-Finnische Gesellschaft bildet zahlenmäßig den größten nordeuropäischen Verein in Deutschland.